„Verschnitt“ ist die dritte Veröffentlichung von Jennifer Hauff, allerdings war mir die Autorin bis dato nicht geläufig. Dies ändert sich nun, denn ihr aktuelles Buch wird mir in Erinnerung bleiben, brachte sie mir doch mittels eines fesselnden und verstörenden Plott-Gerüstes das sehr sensible Thema „Intersexualität“ näher. Im Nachhinein bin ich mir ziemlich sicher, dass diese Geschichte niemanden kalt lassen wird und jeder Leser sensibilisierter das Buch schließen wird.
Klappentext
„Wisst ihr schon, was es wird? Ist es ein Mädchen oder ein Junge?“
Für eine Antwort ist Kinderchirurg Johannes Gelders bereit, über Leichen zu gehen. Doch OP-Schwester Liane will seine Menschenexperimente stoppen. Auf ihrem persönlichen Rachefeldzug ist ihr jedes Mittel recht. Verfolgt von ihrer eigenen Vergangenheit, wird die Jägerin zur Gejagten und das Opfer zum Täter.
Der Thriller über das dritte Geschlecht erzählt eine fiktive Geschichte über geschlechtsverändernde Operationen, zerbrochene Familien und blinde Vergeltung. Inspiriert von einer wahren Begebenheit.
Über die Autorin
Jennifer Hauff wurde 1984 in Frankfurt am Main geboren und lebt heute noch in dieser Stadt. Die gelernte Hotelkauffrau arbeitet als Front Desk Manager bei einer Fluggesellschaft und studiert Germanistik an der Goethe-Universität.
Als Kind hatte Jennifer viele Ideen, was sie einmal werden möchte. So wollte sie zum Beispiel malen, am liebsten für Zeichentrickfilme. Auch die Schauspielerin hätte ihr gefallen. Es stand scheinbar von Anfang an fest, dass Jennifer gerne zur Unterhaltung anderer Menschen beitragen wollte, auch wenn sie dabei nicht unbedingt an die Schriftstellerei dachte.
Gute Geschichten habe die kleine Jennifer schon immer zu schätzen gewusst. Schon früh hat sie sich nicht mit vorgelesenen Geschichten begnügt, sondern darauf bestanden, dass sich die Großmutter immer neue Gute-Nacht-Geschichten ausdachte. Zum Schreiben kam Jennifer durch ihre jüngere Schwester. Die damals 15-jährige hatte eine Buch-Idee, aus welcher ein gemeinschaftliches Projekt entstand. Nach einem Jahr Arbeit wurde 2011 „Herzverwandt“ schließlich veröffentlicht.
Seitdem ist die Autorin dem Schreiben treu geblieben und hat nach „Traumstimmen“, welches 2014 erschien, nun im Juni 2020 mit „Verschnitt“ ihr drittes Buch veröffentlicht.
Meine Meinung
Intro
Als ich eine Anfrage vom MainBook-Verlag bekam, habe ich mich sehr über die Kontaktaufnahme gefreut, war mir doch der Name durch andere Buchblogs bereits sehr geläufig. Die mir angebotene Kampagne befasste sich mit dem Thriller „Verschnitt“ von Jennifer Hauff und da mich der Klappentext und die daraus zu erahnende Thematik sofort ansprachen, war ich sehr gern ein Teil dieser Aktion. Vielen lieben Dank an dieser Stelle!
Grundsätzlich kann ich sagen, dass mir Intersexualität aufgrund meines medizinischen Berufes nicht fremd ist und doch gab es in meiner Laufbahn bisher nur wenig Berührungspunkte mit diesem Thema. Deshalb war ich sehr angetan, noch mehr darüber zu erfahren und auch ziemlich gespannt, wie diese Thematik schriftstellerisch umgesetzt wurde.
Im Rahmen der Kampagne habe ich neben der Rezension auch einen Beitrag zum Thema Intersexualität verfasst. Diesen findet ihr hier:
Zur Handlung
Liane ist OP-Schwester und arbeitet in einer Klinik in Frankfurt am Main. Keiner ihrer Kollegen ahnt, dass sie dramatische Dinge in ihrer Kindheit erlebt hat und schwer traumatisiert ist. Sie sinnt auf Vergeltung und plant seit Jahren akribisch ihren Rachefeldzug.
Auf der anderen Seite ist da ein Professor, der es sich zur persönlichen Aufgabe gemacht hat, Menschen unbestimmter Sexualität, ein Geschlecht zuzuweisen, indem er geschlechtsangleichende Operationen an ihnen durchführt. Aus seiner Sicht zählt einzig der medizinische Erfolg und das Voranschreiten der Forschung. Einzelschicksale und seelische Befindlichkeiten fallen da nicht ins Gewicht.
Die Figuren
Die Figuren sind lebendig, authentisch und vielschichtig gezeichnet. Wie bei einer Zwiebel schält die Autorin Schicht für Schicht von den Seelen ihrer Charaktere und lässt den Leser somit an ihrer kompletten Gefühls-und Gedankenwelt teilhaben.
Die furchtbaren Kindheitserlebnisse der Protagonistin Liane haben sie zu einer willensstarken Frau gemacht, die ehrgeizig ihr Ziel verfolgt und alles daran setzt, dass ihr Plan letztlich gelingt. Die Erinnerungen und der dabei aufkommende Hass sind Futter für ihren Tatendrang. Ganz anders ist es bei ihrem Bruder Lutz, dessen Leben völlig aus der Bahn geriet.
Prof. Dr. Gelders ist erfolgreicher Kinderchirurg, den sein beruflicher Erfolg finanziell unabhängig gemacht hat. Doch im Laufe seiner Karriere hat er den Blick auf die Realität verloren. Mit dem Ziel, sich ein eigenes medizinisches Denkmal zu setzen, wird er immer fanatischer und schreckt auch nicht vor unlauteren Mitteln zurück.
Sämtliche Nebenfiguren fügen sich ihrer Rolle entsprechend ein, sodass sie die Handlung abrunden.
Der Schreibstil
Jennifer Hauff hat einen leicht zu lesenden Schreibstil, dem man durchweg gut folgen kann, auch wenn die Geschichte anhand dreier Handlungsstränge erzählt wird. Es gelingt ihr sehr gut, diese parallel laufen zu lassen und kapitelwechselnd jeweils nahtlos anzusetzen, sodass der Leser die Sprünge gut nachvollziehen kann.
Die Handlung ist gut konstruiert und man spürt, dass sich die Autorin viel Mühe gegeben hat, die inhaltlich sehr sensible Thematik in ein fesselndes Grundgerüst zu verpacken. Zum Großteil ist ihr dies auch gelungen, spannungstechnisch wäre für mich aber ein Tick mehr drin gewesen. Aus meiner Sicht verlor sich die Autorin an einzelnen Stellen etwas zu sehr in der Beschreibung alltäglicher Handlungen der Figuren oder Gegebenheiten des Settings, sodass es dort kurzzeitig etwas zu langatmig wurde. Grundsätzlich würde ich die Story auch eher als spannenden Roman als einen Thriller beschreiben.
Besonders auffallend war für mich die durchweg düstere und bedrückende Stimmung des Buches, was mich dazu veranlasste, immer mal wieder kleinere Pausen einzulegen und nicht unbedingt in abendlich dunklen Stunden zu lesen, weil dies die vorherrschende Stimmung zusätzlich drückte. Die Thematik ist aus meiner Sicht aber eben auch ernst und der gesellschaftliche Umgang damit erschütternd. Ehrlich gesagt wundert mich das aber nicht. Seit jeher wird Andersartigkeit ausgegrenzt. Es liegt irgendwie in der Natur. Das kommt manchen doch dann durchaus gelegen und sie nutzen diese Gelegenheit und die Not Betroffener, um gewisse „Makel“ zu bereinigen.
Jennifer Hauff hat sich intensiv mit dem Thema Intersexualität beschäftigt und auseinandergesetzt, um es dem Leser näherzubringen und mehr in die Mitte der Gesellschaft zu holen. Gekonnt vermittelt sie auf eine realistische, emotionale und schockierende Weise, wie mit Intersexualität in der Gesellschaft umgegangen wird und welch dramatische Folgen für die Betroffenen und deren gesamte Familie entstehen können. Jennifer Hauff erzählt einfühlsam und authentisch, wie es sich anfühlt mit Intersexualität zu leben, was die Betroffenen erleben und welche Wege sie finden damit umgehen. Aber auch die Seite der Eltern samt ihren Sorgen, Ängsten und Nöten wird nicht vergessen. Der Wunsch, das Beste für ihr Kind zu wollen und die damit verbundene Unsicherheit, welcher Weg diesen Wunsch erfüllen mag, wird emotional erzählt.
Fazit
„Verschnitt“ ist ein sehr gelungenes und absolut lesenswertes Buch, welches mit Hilfe eines spannenden Handlungskonstrukts ein wichtiges Thema aufgreift, das heutzutage nicht mehr an den Rand der Gesellschaft gehört und in jeder Hinsicht anerkannt werden sollte. Körperliche und seelische Unversehrtheit, Ausgrenzung, Nichtachtung, Mobbing und Vorbehalte sollten der Vergangenheit angehören und es sollte jedem freistehen, was und wer er sein möchte.
Ja, der Stoff ist keine leichte Kost, die Handlung düster, emotional und aufwühlend und vielleicht muss man zwischendurch mal eine Lesepause machen, um zu verdauen, aber bei Dingen, die nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechen, gab es nie die berühmten duftenden bunten Blümchen und fröhliche Musik. Es wird Zeit, dies zu ändern!
Fangen wir doch mal mit Aufklärung an. Zum Beispiel mit der Geschichte um Liane, Lutz und Prof. Gelders, denn auch wenn es für mich in einzelnen kleinen Abschnitten etwas geraffter hätte sein können und mir letztlich auch ein, zwei kleine Fragen offen blieben, so hat sie mich doch nachhaltig berührt und noch mehr sensibilisiert.
Erklärungen zu den Bewertungen findet Ihr hier.
- Autor: Jennifer Hauff
- Titel: Verschnitt
- Datum der Veröffentlichung: 28.06.2020
- Genre: Thriller
- Verlag: MainBook
- ISBN des Prints: 978-3947612833
- Seitenzahl des Prints: 310
- Dateigröße des eBooks: 2281 KB
- Gelesenes Format: Taschenbuch
- Leseexemplar: ja
- Autoren-Website
- Verlags-Website
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