Thema: Intersexualität-Das sogenannte dritte Geschlecht
Hallo liebe Lolobookies,
heute möchte ich die sehr sensible Thematik der Intersexualität aufgreifen. Mehrere Tage habe ich mich nun damit beschäftigt und viel Unbegreifliches gelesen. Intersexualität ist grundsätzlich nichts Fremdes für mich, doch kannte ich sie bisher nicht unter diesem Namen. Das mir und sicher auch Euch geläufigste Wort dafür ist das Schimpfwort „Zwitter“. Doch was genau ist das eigentlich? Und was erleben und ertragen intersexuelle Menschen im Laufe ihrer Kindheit bis weit hinein in ihr Erwachsenenleben hinein? Dies möchte ich Euch mit diesem Beitrag näherbringen.
Was genau ist Intersexualität?
Nicht alle Menschen lassen sich einem von zwei Geschlechtern zuordnen. Immer wieder kommen Babys auf die Welt, die aus biologischer Sicht weder eindeutig Junge noch eindeutig Mädchen sind. Diese Uneindeutigkeiten des Körpergeschlechts sind biologisch deshalb möglich, weil die Geschlechtsorgane beim weiblichen und männlichen Embryo aus denselben Anlagen entstehen. Sprich, sie sind sich grundsätzlich sehr ähnlich. In der weiteren Entwicklung bildet sich dann in der Regel das jeweils zugehörige Geschlecht heraus. Doch bei manchen Menschen ist dies nicht der Fall. Hier spricht man von Intersexualität oder auch „Disorders of Sex Development“ (auch bekannt als Zwitter oder Hermaphrodit).
Wichtig hierbei ist: Intersexualität ist nicht zu verwechseln mit „Transgender“ und „Transsexualität“.
Während „Transgender“ Menschen sind, die sich mit ihrem zugewiesenen Geschlecht falsch oder unzureichend beschrieben fühlen oder auch jede Form der Geschlechtszuweisung oder -kategorisierung grundsätzlich ablehnen, wurden transsexuelle Menschen von der Medizin bisher als biologisch eindeutig definiert. Allerdings fühlen sie sich dem anderen binären Geschlecht als dem bei der Geburt zugewiesen angehörig.
Wie wird eigentlich das Geschlecht eines Menschen bestimmt?
Für die Geschlechtszuordnung sind vier Merkmale relevant:
- Die Genitalien
- Die Chromosomen
- Die Hormone
- Die Keimdrüsen
Intersexuelle Menschen werden also mit Variationen der körperlichen Geschlechtsmerkmale geboren. Ihre Körper weisen Merkmale vom weiblichen und vom männlichen Geschlecht auf.
Mögliche Ursachen
Die Ursachen dafür, dass jemand geschlechtsbezogen zwischen Frau und Mann liegt, können beispielsweise in der Genetik liegen, also dem chromosomalen Geschlecht. Während Frauen in ihrem Erbgut zwei X-Chromosomen tragen, sind es bei Männern ein X- und ein Y-Chromosom. Von diesen typischen Unterschieden kann es Abweichungen geben. Aber auch hormonelle Entwicklungsstörungen können ein Grund dafür sein, dass sich ein Mensch nicht geschlechtseindeutig zuordnen lässt.
Häufigkeit
In Deutschland gibt es Schätzungen zufolge rund 100.000 intersexuelle Menschen. Wie groß die Zahl hierzulande jedoch wirklich ist, weiß niemand. Ab den 1960er Jahren wurden nämlich bei Kindern mit nicht eindeutig bestimmbarem Geschlecht häufig bereits im Neugeborenenalter genitalangleichende Operationen durchgeführt. Diese Eingriffe wurden meist ohne wirksame Einwilligung der Eltern, insbesondere ohne hinreichende Aufklärung über die mit diesen Eingriffen einhergehenden Risiken und medizinisch notwendigen Folgebehandlungen sowie oftmals auch ohne zwingende Indikation durchgeführt. Ein häufiger Grund dafür war, dass noch bis Ende 2013 auf Geburtsurkunden entweder männlich oder weiblich eingetragen werden musste. Erst danach durfte das Geschlecht auch offen bleiben.
Seit Januar 2019 gibt es in der BRD offiziell den dritten Geschlechtseintrag „divers“. Dies wird dem verfassungsgemäßen Recht auf die Anerkennung der eigenen Geschlechtsidentität gerecht und schafft damit mehr Gleichberechtigung für Personen, die laut einer Umfrage des Deutschen Ethikrats im Alltag besonders häufig diskriminiert und angegriffen werden.
Allerdings können diesen Geburtsurkundeneintrag nur Menschen bekommen, die eine ärztliche Bestätigung vorlegen, dass sie eine Variante der Geschlechtsentwicklung haben. Diese Tatsache wird kritisiert, denn sie setzt voraus, dass Ärzte weiterhin über die Körper dieser Menschen entscheiden. Sie wünschen sich vielmehr das Recht zur Selbstbestimmung, welchem Geschlecht sie angehören möchten.
Übrigens: Das neue Gesetz schützt intergeschlechtliche Menschen nicht vor OPs und anderen medizinischen Eingriffen, weshalb für sie die wichtigste Forderung darin besteht, dass nicht bewilligte medizinische Eingriffe an intergeschlechtlichen Kindern verboten werden müssen! Intergeschlechtlichkeit ist keine Krankheit. Ihre Körper sind nicht per se krank oder falsch. Jedoch sind Gesundheitsstörungen das Resultat medikamentöser oder operativer Behandlungen ohne umfassende Aufklärung.
Viele intersexuelle Menschen durchlaufen einen sehr langen und intensiven Selbstfindungsprozess. Dabei sehen sie sich nicht nur mit medizinischen Eingriffen konfrontiert. Häufig wird während der kindlichen Entwicklung auch jedes Verhalten, das dem auferlegten Geschlecht widerspricht, genauestens beobachtet und manchmal auch angstvoll zu unterdrücken versucht. Dieses Vorgehen kann negative Auswirkungen auf die Psyche des Kindes nach sich ziehen. Aber auch eine massive gesellschaftliche Diskriminierung und Ausgrenzung beeinflusst die Entstehung des Selbstbewusstseins für eine eigene und selbstbestimmte Entwicklung.
Mein persönliches Statement
Was soll ich sagen? Ich bin wirklich entsetzt darüber, was ich in den letzten Tagen lesen musste. Allerdings wundert es mich ehrlich gesagt nicht. Sobald ein Mensch nicht in die vorgegebenen Normen passt, ist er für die Gesellschaft weniger wert, manchmal eben nicht mal existent. Deshalb muss er passend gemacht werden. Und wenn dies eben bedeutet, dass man ihn möglichst früh in eine bestimmte Richtung zwingt, auch wenn derjenige zu diesem Zeitpunkt selbst noch nicht wissen kann, wohin er gehört. Da wird dann das Verhalten analysiert und gedeutet, manchmal eben auch falsch. Welches Kind lässt sich schon in eine feste Sparte packen. Mein Sohn spielte als Kleinkind viel mit Puppen und ist heute ein absoluter Superhelden- und Autofan. Meine Tochter konnte während ihrer gesamten Kindheit nur sehr wenig mit Puppen anfangen. Diese saßen meist unbeachtet in ihrer Ecke. Sie interessierte sich vielmehr für Stifte und Papier. Sind meine Kinder deshalb unnormal? Nein! Jedes Kind hat seine ganz eigenen Interessen, die nicht geschlechtsspezifisch sind und deshalb eben nicht „gedeutet“ werden sollten.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie es sich anfühlt, sein Kind permanent schmerzhaften Operationen aussetzen zu müssen. In Fall meines Kindes sind dies überlebensnotwendige Eingriffe, ohne die kein Leben möglich wäre. Es bricht mir als Mutter jedes Mal erneut das Herz, wenn ich mein Kind so leiden sehen muss und doch weiß ich, ohne die Eingriffe wäre es nicht mehr am Leben. Das hilft dabei, die Situationen so anzunehmen, wie sie eben sind. Leider kennen wir auch Ausgrenzungen und Hänseleien zur Genüge. Sie gehen weder an ihm noch seinen Angehörigen spurlos vorbei!
Doch wie schwer muss es erst für die Eltern eines intersexuellen Kindes sein, wenn sie von Ärzten lückenhaft aufgeklärt werden und ihren Liebling für Eingriffe hergeben müssen, die eigentlich medizinisch nicht zwingend erforderlich sind, wohl aber als notwendig erklärt werden, damit das Kind eine klare geschlechtsspezifische Richtung erhält, die es für eine „gesunde“ Entwicklung bräuchte? Was mag in ihnen vorgehen, wenn sie sich genötigt sehen, ihrem Kind bestimmte Verhaltensweisen abzutrainieren, weil die Gesellschaft es ihnen aufzwingt.
Sie tun dies aus Liebe zu ihrem Kind, weil sie es schützen wollen. Vor der Stigmatisierung, dem Mobbing und sozialer Einsamkeit. Für eine gesellschaftliche Akzeptanz. Was für eine schwere Bürde muss das sein!
Ich hoffe sehr, dass solche gesellschaftlichen Ketten irgendwann komplett gesprengt und somit der Vergangenheit angehören werden, denn aus meiner Sicht sollte jeder Mensch frei entscheiden können, was oder wer er sein möchte! Dazu gehört neben der gesellschaftlichen Freiheit auch eine gewisse eigene Entwicklungsreife. Geschlechtsverändernde Operationen haben bei einem Säugling oder im Kindesalter nichts zu suchen. Eine Kindheit sollte glücklich sein. Frei von schmerzhaften Eingriffen, psychischen und gesellschaftlichen Zwängen, Diskriminierung und Ausgrenzung!
Erste Schritte in die richtige Richtung sind getan, doch der Weg scheint noch lang. Nicht nur auf dem Papier, auch in den Köpfen der Menschen.
Herzliche Grüße,
Louise
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