Nachdem mich „Kaltherz“ ja so richtig aus den Socken gehauen hat, blieb mir natürlich keine andere Wahl, als mich auch an das Erstlingswerk von Henri Faber zu wagen. Hat mich der Autor mit „Ausweglos“ ebenso begeistern können?
Klappentext
Zwei Türen. Kein Ausweg.
Als Noah spätabends die Wäsche vom Dachboden holt, hat er plötzlich ein Messer an der Kehle. Der Angreifer will in seine Wohnung, zu seiner Frau. Noah bleibt keine andere Wahl, doch dann fällt ihm ein: Die Nachbarn gegenüber sind verreist. Und er hat den Zweitschlüssel…
Stunden später findet ihn die Polizei bewusstlos neben der brutal ermordeten Nachbarin. Die Tat trägt die Handschrift eines berüchtigten Serienmörders, und Noah gilt als wichtiger Zeuge. Aber sagt er die ganze Wahrheit?
Über den Autor
Henri Faber wurde 1986 geboren und wuchs in Niederösterreich auf. Nach seinem Studium in Publizistik und Kommunikationswissenschaft lebt er heute als Autor und Texter in Hamburg.
„Ausweglos“ ist der Debütroman des Autors, welcher im Juni 2021 erschienen ist. Kaum ein Jahr später hat er mit „Kaltherz“ nachgelegt.
Meine Meinung
Intro
Irgendwie brauche ich ja immer länger als andere, bis ich mich so richtig an einen neuen Autor wage. Doch nachdem ich im Sommer an „Kaltherz“ einfach nicht vorbeigekommen bin und mich dieses Buch wider Erwarten überaus begeistern konnte, war das Eis gebrochen. Selbstverständlich musste ich dann auch „Ausweglos“ zügig von meinem SuB befreien, tat es jedoch nicht ganz ohne Skepsis. Ich war doch recht unsicher, ob ein Debüt an meine Erwartungen, welche durch „Kaltherz“ nun noch zusätzlich hochgeschraubt waren, heranreichen konnte. Jetzt ärgerte ich mich nachträglich über meine selbstverantwortete verkehrte Lesereihenfolge, denn gerade die schriftstellerische Reifung ist oft mit jeder weiteren Veröffentlichung sehr spannend zu beobachten. Aber nun fürchtete ich, dass mir dieses Vergnügen verwehrt bleiben würde. Doch weit gefehlt! Henri Fabers Talent für das geschriebene Wort sitzt viel tiefer als gedacht. Es scheint angeboren, ja, ganz sicher, es liegt ihm eindeutig im Blut und ist von Beginn an auf einem extrem hohen Niveau!
Wer Henri Faber kennt, weiß, was für ein amüsanter und humorvoller Charakter in ihm wohnt. Deshalb kommt man nach dem Lesen seiner Lektüre nicht umhin, sich zu fragen, wie dieser stets Schabernack treibende Mensch nur so finstere Charaktere und Handlungen erschaffen kann. Das erinnert mich irgendwie an eine Weisheit, welche besagt, dass jedem Genie immer auch ein Stückchen Wahnsinn innewohnt. Ohne ihm nahetreten zu wollen, finde ich diesen Aspekt bei Mr. Faber durchaus zutreffend. Seinen kleinen Verrücktheiten und den überaus geistreichen Fassetten scheint der Autor während des Schreibens stets freien Lauf zu lassen und so die niederträchtigsten Figuren und intelligentesten Irrwege zu erschaffen. Anders kann ich mir diese ausgereifte Raffinesse einfach nicht erklären!
Hier findet Ihr meine Rezension zu seinem 2. Thriller „Kaltherz“, welchen ich als erstes seiner Bücher gelesen habe.
Zur Handlung
Noah geht am Abend auf den Dachboden, um die Wäsche abzuhängen und wird hinterrücks mit einem Messer attackiert. Der Täter verlangt den Zugang zu dessen Wohnung und somit seiner Frau Linda. Um sie zu schützen lotst Noah den Angreifer in die vermeintlich leere Nachbarswohnung, zu der er für die Urlaubsaufsicht einen Zweitschlüssel besitzt.
Als Kommissar Elias Blom an den Tatort kommt und die Leiche der jungen Frau sieht, glaubt er die Handschrift des Täters wiederzuerkennen. Sie scheint zu der des sogenannten Ringfinger-Mörders zu passen, welcher bereits mehrere Frauen auf bestialische Weise umgebracht hat, aber bisher trotz verbissener Recherche und Fahndung seitens des Kommissars nicht gefasst werden konnte. Dieser offene Fall ist ein Schandfleck in der Karriereakte Bloms und er würde Vieles dafür geben, den Täter endlich dingfest machen zu können.
Ob ihm dies nun endlich gelingen kann? Denn neben der Toten liegt ein bewusstloser und schwer verletzter junger Mann. Ihr Nachbar Noah…
Die Figuren
Die Charaktere sind lebendig und ausdruckstark ausgearbeitet. Dem Autor ist es immens gut gelungen, jeder einzelnen Figur seinen ganz eigenen Schliff samt Ecken und Kanten zu verleihen.
Noah ist der stets nette und ruhige Mann von Nebenan. Einer, dem man seinen Schlüssel anvertrauen kann. Er liebt seine Frau Linda bedingungslos und würde alles für sie tun, um sie glücklich zu machen. Doch bezüglich einer Sache scheint er hilflos zu sein: ihr den Wunsch nach einem eigenen Kind zu erfüllen.
Lindas Wesen ist besessen von ihrem alles überragenden, ausgeprägten Kinderwunsch und stülpt diesen ihrem ganzen Umfeld über. Ihr gesamtes Denken und Handeln ist ausgerichtet auf dieses eine Ersehnen.
Elias Blom ist ein sympathischer und mit Herzblut arbeitender Ermittler, der nicht nur das Opfer in seiner entstellten letzten Pose zu sehen vermag, sondern auch den Menschen dahinter, sein Aussehen zu Lebzeiten, sein Lebensumfeld und das, was seinen Charakter ausgemacht hat.
Er möchte den Täter unbedingt zu fassen bekommen! Um seine Weste wieder reinzuwaschen, aber auch, um den Opfern die Gerechtigkeit zukommen zu lassen, die sie verdient haben.
Sämtliche Nebenfiguren sind ihren Rollen entsprechend sehr schön lebhaft ausgearbeitet und runden das Gesamtkonstrukt zu einem in sich stimmigen und absolut passenden Ganzen ab.
Der Schreibstil
Henri Faber hat einen unglaublich einnehmenden Schreibstil. Sehr schön fließend zu lesen und gut verständlich. Die Kapitel sind kurz und knackig gehalten und widmen sich jeweils einem von vier Perspektiven, welche sowohl Täter- als auch Opfer- und Ermittler-Sicht beleuchten. Diese wechselnden Darstellungen der Blickwinkel machen die Story sehr lebhaft und üben eine spannungsgeladene Dynamik aus, deren Sogwirkung sich niemand entziehen kann. Dabei achtet der Autor akribisch darauf, dass der Leser*in stets dem roten Faden folgen kann. Er schlängelt sich durch die punktgenau gesetzten Cliffhanger und trickreichen Wendungen und lockt den Leser*in immer tiefer in das Verwirrspiel hinein.
Raffiniert vermag Henri Faber seinen wahren Täter bis zum Ende zu verstecken und man fragt sich mehr als einmal, wer da die Strippen zieht und wem man lieber nicht glauben sollte.
Das Setting ist detailliert und bildhaft gezeichnet. Für empfindliche Leser*innen sei hier angemerkt, dass „Ausweglos“ ohne viel blutiges Gemetzel auskommt und dennoch in allen genrespezifischen Aspekten vollends zu punkten vermag!
Fazit
„Ausweglos“ ist ein absoluter Top-Thriller, dessen hohe Qualität man normalerweise bei einen Debüt niemals erwarten würde. Raffiniert gestrickt und mit wendungsreicher Unvorhersehbarkeit ausgestattet, wird er ganz sicher alle Fans intelligenter Verwirrspiele und atemloser Spannung begeistern können.
Chapeau, Mr. Faber! Ganz großes Kino!
Erklärungen zu den Bewertungen findet Ihr hier.
- Henri Faber
- Ausweglos
- Datum der Veröffentlichung: 23.06.2021
- Genre: Thriller / Psychothriller
- Verlag: dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
- ISBN des Prints: 978-3423219778
- Seitenzahl des Prints: 496
- Dateigröße des eBooks: 2463 KB
- Gelesenes Format: Print
- Rezensionsexemplar: nein
- Autoren-Website
- Verlags-Website
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