Der Handlungsort dieses Ostsee-Krimis ist in der Lübecker Bucht angesiedelt und die Empfehlung eines ortsansässigen Buchhändlers brachte mich dazu „Die Küstenkommissarin-Der Tote am Leuchtturm“ von Jonas Brandt zu lesen. Hat mich das Erstlingswerk des Autors überzeugen können?
Klappentext
Am Ostseestrand zwischen Dünen und Kiefernwäldern lauert der Tod.
Im Schatten des Leuchtturms Dahmeshöved wird unter einer Segeljacht die Leiche eines Jugendlichen gefunden. Kommissarin Frida Beck und ihr Partner Deniz Yilmaz von der Kripo Lübeck übernehmen den Fall. Rasch finden sie heraus, dass der Vater des Opfers sich an der Küste durch den Kauf von Immobilien Feinde gemacht hat. Vor allem ein Nachbar, der seit Jahren Leuchtturmführungen für Touristen anbietet, ist nicht gut auf ihn zu sprechen. Als ein weiterer Toter in Dahmeshöved entdeckt wird, läuft Frida Beck die Zeit davon. Denn die Mordserie hat gerade erst begonnen.
Über den Autor
Jonas Brandt ist im Norden Deutschlands aufgewachsen. Er arbeitet als Lehrer und reist gern, wobei ihn das Schreiben stets begleitet. Immer wieder zieht es ihn an Deutschlands Küsten, wo er seine klugen Kommissare mit Vorliebe ermitteln lässt.
„Die Küstenkommissarin-Der Tote am Leuchtturm“ ist sein Debüt und Band 1 einer Reihe.
Meine Meinung
Intro
So ein kleiner hübscher Stand eines Buchhändlers direkt am Ostseestrand ist für einen Buchliebhaber wie mich äußerst gefährlich. Sehr gefährlich! Und zwar gefühlt wirklich immer! Auf dem Weg von der Ferienwohnung ans Wasser, auf dem Weg vom Meer zurück in die Unterkunft und abends beim Schlendern auf der Promenade. Jedes Mal schielen die Augen beim Vorbeigehen hinüber und suchen nach einem Buch, an dessen Titel oder Cover die Augen hängenbleiben und ebenfalls jedes Mal hat der pfiffige Händler seine Regale mit immer neuen Schätzchen geschmückt. Was ist also die Folge? Richtig, es findet sich immer ein Grund, um stehenzubleiben, zu stöbern und natürlich zu kaufen. Über kurz oder lang bleibt es da nicht aus, dass man miteinander ins Klönen gerät, wie der Norddeutsche sagt. In eben solch einem Austausch wurde mir „Die Küstenkommissarin-Der Tote am Leuchtturm“ von Jonas Brandt empfohlen. Ein wohl „spannender und gut konstruierter Krimi direkt aus dieser Region“. Das hat mich spontan neugierig gemacht, kenne ich die Gegend mittlerweile doch wie meine Westentasche. Also zögerte ich nicht lange und erstand das Buch, welches ich dann auch noch am gleichen Tag aufschlug, denn es gibt doch kaum etwas Spannenderes als einen Ort in einer Handlung zu betreten, auf dessen Boden man sich selbst gerade befindet. Da ist doch gleich eine höhere Portion Nervenkitzel vorprogrammiert, wenn man den Tatort kennt beziehungsweise sich nur einen kurzen Spaziergang davon entfernt aufhält.
Zur Handlung
Nahe dem Leuchtturm von Dahmeshöved wird der Sohn eines Immobilienhais bei Reparaturarbeiten an der Segeljacht von dieser erschlagen aufgefunden. Zur Ermittlung des Tathergangs werden die Kommissarin Frida Beck und ihr Partner Deniz Yilmaz von der Kripo Lübeck herangezogen. Doch die hiesige Polizei ist nicht gut auf die Einmischung aus Lübeck zu sprechen, was für die örtlichen Recherchen nicht gerade hilfreich ist. Erschwerend kommt hinzu, dass es scheinbar einige Ortsansässige zu geben scheint, die einen Grund haben, den Vater des Jungen zu hassen.
Doch war es wirklich Mord oder einfach nur ein furchtbarer Unfall? Und wenn es Absicht war, auf wen sollte das Attentat abzielen und wer könnte dahinterstecken?
Desto weiter die Nachforschungen voranschreiten, wird eines immer klarer: Die Motive liegen weit zurück, verborgen in lange vergangener Zeit und dem Frieden des Vergessens…
Die Figuren
Die Protagonisten sind sehr schön lebendig beschrieben. Sowohl im Aussehen, der Mimik und Gestik als auch im Ermittlungsalltag und ihren Handlungen.
Da es sich hier um einen Reihenauftakt handelt, ist klar, dass der Autor dem Leser seine Figuren, ihre genauen Lebensumstände, deren Vergangenheiten und ihre Gefühlsebenen erst schrittweise öffnen möchte, oft entwickeln sie sich ja auch erst mit jeden Folgeband, allerdings hätte es für mich hinsichtlich zwei kleiner Punkte, auf die ich in den folgenden beiden Absätzen näher eingehe, hier bereits etwas mehr sein dürfen.
Kommissarin Frida Beck von der Kripo Lübeck hat eine traumatische Zeit hinter sich. Der Kampf um ihr inneres Gleichgewicht ist noch nicht abgeschlossen und wird es wohl auch nie mehr so sein. Doch sie ist eine Kämpferin und aufzugeben keine Option für sie, außerdem gibt es Gründe, die sie vorantreiben. Zum einen ist da ihr Job, den sie liebt und zum anderen besteht noch eine offene Rechnung, die es zu begleichen gilt. Ihre emotionale Verfassung hätte für mich ruhig ein wenig tiefer beschrieben sein dürfen, um ihre innere Qual noch besser mitfühlen zu können, denn das, was ihr in der Vergangenheit widerfahren ist, bleibt nicht ohne dauerhafte Folgen, kann es einfach nicht. Das gesamte Leben wird aus den Fugen gerissen und verändert nicht nur das alltägliche Leben, sondern auch einen selbst. Es nimmt Einfluss auf die eigenen Wesenszüge, aber vor allem ist es eine massive Belastung für die psychische Verfassung. Jonas Brandt blendet ihre Vergangenheit immer ein, sodass man ausreichend Fakten erhält, die ein rundes Bild ergeben, aber diesen Schmerz, der die Seele zerreißt, hätte ich aber gern etwas mehr gespürt, weil es ihren Charakter für mich noch etwas wahrhafter gemacht hätte. So bleibt zwischen ihr und mir doch eine winzig kleine Distanzlücke.
Beruflich ist Frida eine sehr engagierte, scharfsinnige und integere Ermittlerin, die ein gutes Gespür für eine respektvolle zwischenmenschliche Kommunikation hat, was ihr bei den Recherchen und Befragungen zugutekommt.
Ihr Partner Deniz Yilmaz ist ein lebensfroher und witziger Mensch mit manchmal etwas unkonventionellen Methoden. Er ist Frida ein guter Freund und das passende Pendant. Am privatem Umfeld und Leben von Deniz hätte der Autor den Leser gern auch noch etwas mehr teilhaben lassen können. Das hätte ihm ein klein wenig mehr Präsenz verliehen, denn er geht mir neben Frida als ihr Partner fast ein bisschen unter.
Die Nebenfiguren sind, ihren jeweiligen Rollen entsprechend, gut ausgearbeitet, lebendig beschrieben und füllen sehr schön ihren jeweiligen Platz aus.
Der Schreibstil
Jonas Brandt schreibt zumeist flüssig und klar verständlich. Einzig die Kapitelwechsel stellen kleine Stolpersteine dar, an die man sich anfänglich etwas gewöhnen muss. Der Autor nutzt gekonnt am jeweiligen Kapitelabschluss kleine Cliffhänger zur Steigerung der Dramaturgie, allerdings entsteht ein Cut, weil er im neuen Kapitel nicht genau dort wieder ansetzt, sondern zu einem späteren Zeitpunkt. Durch die etwas verzögerte Aufklärung der vorbeschriebenen Situation entsteht eine leichte Verwirrung, die das Leseverständnis kurzzeitig erschwert. Wenn man sich darauf einlässt und der Sache seinen Lauf lässt, mindert es den Lesespaß aber nur ganz geringfügig, weil innerhalb der jeweiligen neuen Kapitel alle offenen Fragen schlüssig und verständlich geklärt werden.
Der kriminalistische Plot ist gut konstruiert und bleibt während des gesamten Buches dominante Thematik, sprich, der rote Faden ist durchweg gut erkennbar. Verdächtige gibt es einige, doch dem Autor ist es gut gelungen, immer wieder für Ablenkung zu sorgen und sich nicht zu früh in die Karten schauen zu lassen. Dies sorgt dafür, dass ein guter Spannungspegel, welcher anhand des klug gesetzten, dramatischen und ergreifenden Prologs sofort da ist, durchweg erhalten bleibt. Alle gesponnenen Fäden ergeben schlussendlich ein logisches Ganzes.
Das Setting ist bildhaft und authentisch mit ganz viel Regionalkolorit beschrieben. Der Handlung entsprechend wurde die Gegend düster gezeichnet. Keine Wattewölkchen und Sonne-Strand-Meer-Optik, sondern eine graue, windige, kalte Ostsee. Während ich in der warmen Sonne saß und meine Füßen im heißen Sand vergrub, um sie in den darunterliegenden feucht-kühlen zu stecken und durch meine Zehen zu drücken, entstanden Bilder in meinem Kopf, die nach warmen Kuscheldecken und heißem Tee riefen.
Die der Handlung zugrunde liegende Thematik hat der Autor sehr anschaulich und bewegend eingebunden, was mich beeindruckt hat und berühren konnte. Die Lübecker Bucht war einst ein schrecklicher Schauplatz deutscher Geschichte. Dass diese Zeit so viele und vor allem unnötige Opfer gekostet hat, sollte niemals in Vergessenheit geraten.
Fazit
„Die Küstenkommissarin-Der Tote am Leuchtturm“ ist ein Debüt, dass mich trotz kleiner Abstriche sehr gut unterhalten hat und den ortsansässigen Buchhändler im Nachhinein bestätigt. Es ist ein spannender und gut konstruierter, regionaler Krimi mit ganz viel rauem Wind und salziger Seeluft an einem geschichtsträchtigen Ort, dessen Gedenkstein ich schon mehrfach persönlich besucht habe. Seine Existenz möge noch ewig Mahnmal genug sein und dessen Nachklang in den Köpfen weiterhallen, damit so etwas nie mehr geschehen mag.
Erklärungen zu den Bewertungen findet Ihr hier.
- Autor: Jonas Brandt
- Titel: Die Küstenkommissarin – Der Tote am Leuchtturm
- Datum der Veröffentlichung: 15.03.2021
- Genre: Krimi
- Verlag: Ullstein
- ISBN des Prints: 978-3548064291
- Seitenzahl des Prints: 320
- Dateigröße des eBooks: 2662 KB
- Gelesenes Format: Print
- Leseexemplar: nein
- Verlagswebsite
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